Beim Essen einfach mal über den Tellerrand schauen
Was haben Klimawandel, knappe Ressourcen und soziale Ungerechtigkeit mit unseren Essgewohnheiten zu tun? Viel mehr als wir denken!
Deshalb laden wir Sie zu einem gemeinsamen Blick über den Tellerrand ein. Dabei lassen sich spannende Zusammenhänge entdecken und frische Inspirationen finden. Eines gleich vorweg: Wir müssen beim Essen nicht auf Genuss verzichten. Mit bewussteren Entscheidungen darüber, was auf unserem Teller landet, erzielen wir eine Vielzahl positiver Effekte – für unsere Gesundheit, unsere Umwelt und unsere Mitmenschen. Dann schmeckt’s gleich länger und doppelt gut.
Was passiert, wenn …
Die schlechte Nachricht zuerst: Wird weltweit der westliche Ernährungsstil fortgeführt wie bisher, könnte allein der globale Lebensmittelkonsum bis zum Jahr 2100 zu einem Temperaturanstieg von fast 1 °C führen. Das ist im Kleinen gesehen vielleicht nicht viel, hat aber im Großen enorme Auswirkungen auf unser Leben. Mehr als die Hälfte dieses Temperaturanstiegs, dessen Folgen global auch nicht gleich verteilt sind, könnte vermieden werden – durch verbesserte landwirtschaftliche Produktion, gesündere und pflanzenbetontere Ernährung und weniger Lebensmittelverschwendung. Gleichzeitig befinden wir uns in einem Teufelskreis, da der durch unser Ernährungssystem befeuerte Klimawandel eine massive Bedrohung für die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit darstellt. Weltweit haben wir durch Dürren, Hitze und Überflutungen immer häufiger mit Ernteausfällen zu kämpfen. Studien haben ergeben, dass im Extremfall bis zum Ende des Jahrhunderts ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht mehr oder nur eingeschränkt für die Produktion von Nahrungsmitteln nutzbar sein könnte.
Neben dem Klima spielen auch andere Bereiche eine wichtige Rolle, die unmittelbar mit dem Ernährungssystem zusammenhängen und unseren Planeten an die Grenzen der Belastbarkeit bringen können. Dazu gehören beispielsweise der Verlust der biologischen Vielfalt, der hohe Süßwasserverbrauch oder der Stickstoff- und Phosphoreinsatz in der Landwirtschaft. Hinzu kommen groß angelegte Rodungen der Regenwälder für den Anbau von Soja als Futtermittel. Damit gehen nicht nur wichtige CO2-Speicher verloren – auch indigene Bevölkerungsgruppen sowie Teile der Pflanzen- und Tierwelt verlieren ihren Lebensraum.
Zum Nachdenken: Im Osten Paraguays wurden bereits 92 Prozent der subtropischen Wälder auf einer Fläche von 80.000 Quadratkilometern zerstört. Das entspricht der Größe Österreichs. Zwanzig indigene Völker wurden dadurch von ihrem angestammten Grund und Boden zugunsten von Soja-, Mais- und Weizenfeldern sowie Rinderherden verdrängt. Rund 8.000 verschiedene Pflanzen- und Tierarten wurden ausgerottet, um Flächen für den Anbau von Futtermitteln zu gewinnen bzw. um als Weideland von Rinderherden für die Fleischproduktion zu dienen. Da sich die Größendimensionen unserer Vorstellungskraft entziehen, hier ein Vergleich: Täglich wird dort eine unvorstellbar große Waldfläche im Ausmaß von 3.000 Fußballfeldern gerodet. (Quelle: global2000)
Grenzen erkennen und respektieren
Wie können wir diese prekäre Lage in den Griff bekommen? Zum besseren Verständnis hilft uns das wissenschaftliche Konzept der planetaren Grenzen. Es beschreibt die ökologischen Grenzen unseres Planeten, innerhalb derer die Menschen sicher leben können, ohne die Stabilität des Erdsystems zu gefährden. Das Konzept identifiziert neun zentrale Prozesse, die das Erdsystem regulieren, und definiert für jeden dieser Prozesse einen sicheren Betriebsraum. Werden diese Grenzen überschritten, drohen nicht umkehrbare Folgen, die unsere Lebensgrundlagen auf der Erde gefährden.
Folgende Aspekte spielen im Konzept der planetaren Grenzen eine zentrale Rolle:
- Klimawandel: Erderhitzung durch schädliche Treibhausgasemissionen
- Integrität der Biosphäre: Verlust an biologischer und genetischer Vielfalt sowie Artensterben
- Ozonabbau in der Stratosphäre: Zerstörung der schützenden Ozonschicht durch Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) und Treibhausgase
- Biogeochemische Kreisläufe: Veränderung der Kreisläufe von Stickstoff und Phosphor durch Landwirtschaft und Industrie
- Landnutzungsänderung: Abholzung und Umwandlung natürlicher Ökosysteme
- Süßwassernutzung: Übermäßige Nutzung von Frischwasserquellen
- Ozeanversauerung: Versauerung der Meere durch die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Erdatmosphäre
- Aerosolbelastung: Schwebstoffe in der Atmosphäre, die das Klima und die menschliche Gesundheit beeinflussen
- Neuartige Substanzen: Einführung von Chemikalien, Kunststoffen und anderen von Menschen geschaffenen Stoffen, die schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit haben können
Einige dieser Aspekte sind unmittelbar mit unserem Ernährungssystem verknüpft, und leider sind bei manchen die kritischen Grenzwerte bereits am Limit oder sogar schon überschritten. Sie stellen Hochrisikobereiche dar:
- So verstärken zum Beispiel die Treibhausgase, die bei Produktion, Transport, Verarbeitung, Lagerung und Entsorgung unserer Lebensmittel anfallen, den Klimawandel.
- Die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen, der Einsatz von Pestiziden, Monokulturen und der Verlust natürlicher Lebensräume bedrohen massiv die Artenvielfalt.
- Der übermäßige Einsatz von Düngemitteln führt zu einem Überschuss an Stickstoff und Phosphor in Böden und Gewässern.
- Für den Anbau von Lebensmitteln und Futter gehen wertvolle Wälder und natürliche Ökosysteme verloren.
- Die Bewässerung von Feldfrüchten, insbesondere von wasserintensiven Kulturen, belastet die uns zur Verfügung stehenden Süßwasserressourcen.
- Die Landwirtschaft trägt zur Verbreitung von Pestiziden, Herbiziden und anderen chemischen Substanzen bei, die in die Umwelt gelangen und in vielen Fällen nur schwer bis gar nicht abgebaut werden können.
IHR BEITRAG – Das können Sie tun!
Wir wissen jetzt: Unsere Ernährungsgewohnheiten spielen in Hinblick auf globale Zusammenhänge eine zentrale Rolle. Damit ist auch klar: Jede Einzelne und jeder Einzelne von uns kann durch bewusste Entscheidungen bei der Ernährung zum Schutz von Klima und Umwelt sowie zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen. Das ist jetzt die gute Nachricht: Indem wir zum Beispiel „genial einkaufen“, Lebensmittelverschwendung vermeiden und ressourcenintensive Produkte wie Fleisch und Milchprodukte reduzieren, können wir die Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln fördern. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Produktion von Lebensmitteln bis zum Abfall, gibt es eine Menge an Veränderungspotenzialen. Jeder kleine Schritt zählt, um nicht nur unseren Planeten zu schützen, sondern auch zu einer gesünderen Lebensweise beizutragen.
Weiterführende Tipps und Infos finden Sie hier:
klimaaktiv Themenreihe Klima und Ernährung
8 Tipps für einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln von bewusstkaufen.at
Weniger Fleisch für mehr Klimaschutz von bewusstkaufen.at